Hat die SPD Frankfurt bei der Aufnahme von neuen Mitgliedern Probleme mit der Einhaltung demokratischer Grundsätze?

Ingrid Rockinger-Dörfel,Frankfurt 

 

Offener Brief vom 10.02.2013 an die Mitglieder des SPD Unterbezirksvorstandes Frankfurt

Gernot Grumbach, Imren Ergindemir, Eugen Emmerling, Roger Podstatny, Figen Brandt, Ursula Busch, Jürgen Gasper, Sylvia Kunze, Uli Nissen, Hubert Schmitt, Darius Shafiei-Mehryar, Oliver Strank, Nadia Qani, Barbara Wagber, Muzaffer Yilmaz, Peter Feldmann, Andreas Heusinger-Waldegge, Klaus Oesterling

 per Email sowie über die Geschäftsstelle der SPD Frankfurt

 

Hat die SPD Frankfurt bei der Aufnahme von neuen Mitgliedern Probleme mit der Einhaltung demokratischer Grundsätze?

Zweimalige Ablehnung meines Mitgliedsantrags ohne Begründung

Offener Brief

Sehr geehrte Damen und Herren des Unterbezirksvorstands Frankfurt der SPD,

nachdem nun die Behandlung der Einsprüche gegen die rechtlich mehr als zweifelhafte pauschale Ablehnung aller Bewerberinnen und Bewerber um eine Mitgliedschaft im Ortsverein Sachsenhausen vom Dezember und Januar abgeschlossen ist, wende ich mich an Sie, um endlich eine Antwort auf die Frage zu erhalten, wieso für die Mehrheit von Ihnen eine Mitgliedschaft meiner Person in der SPD nicht vertretbar erscheint.

 

Ich weiß, dass das Organisationsstatut bzw. die Satzung der SPD bei einer Ablehnung nicht ausdrücklich eine Begründung vorsieht. Dennoch steht mir nach demokratischen Grundsätzen zu, eine Begründung zu erhalten, wenn mir von Ihnen das staatsbürgerliche Recht entzogen wird, im Rahmen Ihrer Partei an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Ich berufe mich dabei auf Artikel 21 des Grundgesetzes. Dort heißt es u. a.:

„Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen.“

 

Die Beachtung demokratischer Grundsätze ist wohl unstreitig nicht gewährleistet, wenn ein Gremium  wie das Ihre willkürlich eine Mehrheitsentscheidung über eine Person fällt, die faktisch einen Ausschluss von einem Grundrecht bedeutet, ohne dass die zugrundeliegenden Beweggründe auch nur im mindesten dokumentiert und durch überprüfbare Tatsachen belegt werden.

 

Weiterhin sehe ich mich veranlasst, auf diese Weise öffentlich dem Eindruck entgegenzutreten, meine Ablehnung sei vielleicht aufgrund meiner Äußerungen und meines Auftretens während der Anhörung  gerechtfertigt bzw. von mir selbst zu verantworten oder gar provoziert.

 

Darum dokumentiere ich meinerseits den inhaltlichen Verlauf des „Überprüfungsgesprächs“ vom 21.01.2013, bei dem ich Ihnen allein – nach etwa zweistündiger Wartezeit im Flur – gegenübersaß. Sie waren etwa 30 Personen, mir in der weitaus überwiegenden Mehrheit persönlich nicht bekannt. Ich war allein, Begleitung durch einen Beistand in Form einer neutralen Person oder einer Person meines Vertrauens hatten Sie mir nicht angeboten.

 

Ich weise nachdrücklich darauf hin, dass ich jederzeit bereit bin, für die Richtigkeit meiner Darstellung des Verlaufs der Anhörung mit allen persönlichen Konsequenzen einzutreten, erforderlichenfalls auch mit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Gleichzeitig bin ich bereit, mich von jedem von Ihnen ergänzen und korrigieren zu lassen, sollte mir bei der Wiedergabe von Details eine Ungenauigkeit unterlaufen sein.

 

– Hier also meine Darstellung der Anhörung:

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Fragen und Antworten meiner Anhörung vor dem Parteigremium der SPD im Unterbezirk Frankfurt, das meinen Einspruch gegen die Ablehnung meiner Mitgliedschaft am 21.01.2013 zurückgewiesen hat. Den Vorsitz hatte Herr Grumbach.

Das Gremium bestand aus dem Unterbezirksvorstand der SPD Frankfurt und weiteren Personen.

 Zunächst wurden mir 3 Fragen gestellt:

 

Sind Sie in einer anderen Partei?

Warum wollen Sie jetzt in die SPD eintreten?

Welche politischen Themen der SPD unterstützen Sie?

 

Darauf antwortete ich:

 

Ich bin in keiner anderen Partei. Ich bin bisher in keine Partei eingetreten, weil mir der Satz „Die Steigerung von ‚Feind’ ist ‚Parteifreund’.“ bekannt ist und ich Parteigeklüngel ablehne.

Aber dann habe ich Herrn Heider als einen ehrlichen, unermüdlichen und aufrechten Sozialdemokraten kennengelernt und mich nun anders entschieden.

Ich habe ihn bei 46 Montagsdemonstrationen getroffen und im Ortsbeirat erlebt. Ich möchte ihn politisch unterstützen und deshalb möchte ich jetzt in die SPD eintreten und auch bei der Delegiertenwahl mitmachen. Ich möchte nicht noch 5 Jahre warten.

 

Was die politischen Themen der SPD betrifft, geht es mir als Betroffene natürlich um den Stopp der Flughafenerweiterung, ein Partikularinteresse, das viele betrifft.
Ich finde es aber auch schlimm, wenn Menschen für „ein Butterbrot und ein Ei“ arbeiten müssen und hinterher von ihrer Rente nicht leben können. Ich bin also für einen Mindestlohn und eine anständige Rente.

Ich bin für stärkere Kontrolle der Banken.
Ich bin für Anhebung der Vermögenssteuer:

Ich unterstütze alles, was mehr soziale Gerechtigkeit bringt.

 

Darauf Herr Grumbach: „Dann unterstützen Sie mehr Herrn Steinbrück als Thorsten Schäfer Gümbel…“

 

Darauf konnte ich nicht antworten, weil gleichzeitig und viel dominanter die folgende Frage von einer Dame aus der Runde vorgetragen wurde:

 

„Würden Sie auch die Interessen von Frau Tursky-Hartmann vertreten?“

 

Meine Antwort:

 

Die Interessen von Frau Tursky-Hartmann kenne ich nicht und sie interessieren mich auch nicht. Allerdings Ihre politische Vorgehensweise lehne ich ab.

Eine Kandidatin, die, wie heute in der Frankfurter Neuen Presse nachzulesen, Menschen auf unwürdige Art diskriminiert und angreift, werde ich nicht unterstützen.

 

Nachfrage: Würden Sie Frau Tursky-Hartmann wählen, wenn Sie Delegierte wären und Frau Tursky-Hartmann im Mitgliederentscheid die Mehrheit bekommt?

 

Meine Antwort:

 

Ich würde Frau Tursky-Hartmann nicht wählen, und ich würde als Delegierte nicht zur Verfügung stehen.

 

Weitere Fragen wurden nicht mehr gestellt und ich wurde von Herrn Grumbach verabschiedet.

 

Im Flur wurde mir nach der Beschlussfassung dann mitgeteilt, mein Einspruch gegen die Ablehnung meiner Mitgliedschaft sei abgelehnt. Eine Begründung wurde mir mit Verweis auf die Satzung der SPD verweigert.

 

22.01.2013

gez. Ingrid Rockinger-Dörfel

 

– Ende der Dokumentation der Anhörung –
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Diesen offenen Brief und o. g. Dokumentation übersende ich Ihnen erst jetzt, weil ich andere laufende Einspruchsverfahren nicht beeinflussen wollte und weil ich warten wollte, bis diese abgeschlossen sind.

 

Nun aber sehe ich keine andere Möglichkeit zur Aufklärung der mehr als unbefriedigenden Situation, als mich öffentlich darauf zu berufen, dass das Grundgesetz Ihre Partei und alle ihre Gremien zur Wahrung demokratischer Grundsätze verpflichtet.

 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sich weiter weigern, mir darzulegen, welche meiner oben dokumentierten Äußerungen zu meinen Motiven und meinen politischen Ansichten einer Mitgliedschaft in der SPD unvereinbar entgegenstehen und eine Ablehnung rechtfertigen.

 

Mir erschließt sich auch nicht, wieso zwei der fünf Fragestellungen so explizit auf die persönlichen Partrikularinteressen von Frau Tursky-Hartmann ausgerichtet waren. Es ging offensichtlich zumindest dabei keineswegs um die politischen Leitlinien der SPD.

Bin ich am Ende abgelehnt worden, weil ich offen mein demokratisches Recht beansprucht und erklärt habe, den Gegenbewerber von Frau Tursky-Hartmann um eine Direktkandidatur für die SPD in Frankfurt politisch unterstützen zu wollen?

 

Es ist einfach nicht nachvollziehbar, inwieweit auch nur eine meiner 5 Aussagen im Grundsatz mit den politischen Zielen und Grundsätzen der SPD unvereinbar sein soll, sofern man nicht irgendetwas hineininterpretiert oder ungeprüft haltlos unterstellt.

 

Ich möchte darum nachdrücklich daran erinnern, dass es der demokratische Anstand gebietet, mir eine Begründung für die Ablehnung zu liefern und die zugrunde liegenden Fakten zu nennen.

 

Eine Berufung auf den Wortlaut des Organisationstatuts reicht nicht aus. Das Parteigremium, das die Anhörung durchgeführt und meine Ablehnung beschlossen hat, bestand nämlich abweichend vom Organisationsstatut nicht nur aus den  Mitgliedern des  Unterbezirksvorstands und den teilnahmeberechtigten Personen mit beratender Stimme. Vielmehr waren weitere Personen anwesend und wirkten bei der Anhörung mit.

 

Wenn es in dieser Hinsicht möglich war, über den strengen Rahmen des Organisationsstatus hinauszugehen, so ist es wohl kaum zu rechtfertigen, die Forderung nach Fairness und demokratischer Transparenz mit einer plötzlich extrem engen Berufung auf das Organisationsstatut zurückzuweisen. 

 

Mit Bezug auf den Bericht im SPIEGEL „Genossen unter sich“ in der Ausgabe vom 28.01.2013 möchte ich noch anmerken, dass meine dort zitierte Äußerung „Für mich war’s das mit dieser Partei.“ genau auf meine Fassungslosigkeit zurückzuführen ist, dass mir innerhalb von 7 Tagen einmal rechtswidrig  pauschal und ohne Ansehen meiner Person und ein weiteres Mal zwar nach Anhörung, aber ohne jede Begründung und ohne Hinweis auf nachvollziehbare Fakten die Mitgliedschaft in der SPD willkürlich verweigert wurde, obwohl ich mit den Zielen der Partei und den Mehrheitsbeschlüssen des Ortsvereins Sachsenhausen übereinstimme und dies auch deutlich gemacht habe.

 

Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen meine Motivation für diesen Brief vermitteln konnte und dass Sie spätestens jetzt aus demokratischer Überzeugung inhaltlich politisch zu den o. g. Vorgängen Stellung nehmen.

Nicht zuletzt die mehr als 150jährige demokratischen Tradition der SPD stimmt mich in dieser Hinsicht zuversichtlich.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

gez. Ingrid Rockinger-Dörfel

 

 

Dieser Brief wurde mit dem Computer erstellt und per Email versandt und ist darum ohne Unterschrift gültig.

 

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